Braucht mein Hund Medical Training? Und wenn ja, wieviel?

Ganz schlicht gesagt: Medical Training tut jedem Hund gut!

Weshalb das so ist, dass möchte ich dir mit dem folgenden Beitrag etwas näher bringen.

Die Funktion des Trainings kann hierbei in zwei Kategorien unterteilt werden. Einmal Medical Training im Sinne der Prävention (also Training, um Angst und Stress bestmöglich vorzubeugen) und außerdem Training mit Hunden, welche bereits Angst und/oder Stress vor pflege- und medizinischen Versorgungsmaßnahmen haben.

Präventiv

Beim präventiven Training hat der Hund generell noch keine Angst und/oder Stress vor pflege- und medizinisch bedingten Versorgungsmaßnahmen (und hat entsprechend auch noch keine schlechten Erfahrungen mit oder bei diesen gemacht).

Hierbei wird ganz im Allgemeinen auf solche Maßnahmen hintrainiert, mit dem Ziel, den Hund auf zukünftige Situationen solcher Art vorzubereiten. Sodass er möglichst erst gar nicht in eine Lage kommt, in der er schlechte Erfahrungen macht und dadurch ggf. Angst entwickeln wird.

Es geht meistens viel einfacher und schneller, einen noch angstfreien Hund mit präventivem Medical Training auf unangenehme Situationen vorzubereiten, als das Training erst zu beginnen, wenn der Hund bereits Ängste oder Stress entwickelt hat.“

Bereits die Basics des Medical Trainings bereiten den Hund hierbei mit einem guten Fundament vor, um nicht so schnell Angst vor solchen Massnahmen zu entwickeln.

Wenn der Hund bereits in den Brunnen gefallen ist

Hat der Hund bereits Angst vor bestimmten Maßnahmen, dann benötigt dies oft mehr Zeit und Geduld für das Training, als es bei dem präventiven Training nötig wäre. Zum einen, um wieder Vertrauen zu der Situation, den Maßnahmen und ggf. zu den beteiligten Menschen aufzubauen und zum anderen, um dem Hund neue Wege aufzuzeigen, wie er in der Zukunft solche Situationen angstfrei meistern kann.

Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, empfehle ich jedem Hundehalter, mit seinem Hund zumindest die Basics des Medical Trainings zu trainieren und zu beachten, um damit die Chance zu erhöhen, dass er erst gar keine Angst entwickelt oder zumindest die Angst minimiert wird.

Basics wie etwa Folgendes:

Beginnt dein Hund während einer Maßnahme (wie z.B. beim Bürsten) Unbehagen/ Unwohlsein zu zeigen (Körpersprache des Hundes beachten), dann stoppe diese demonstrativ ab und warte, bis dein Hund sich wieder wohler fühlt (ändere ggf. die Situation so weit ab, dass er sich wieder wohler fühlt). Dann beginne von Neuem, nur einfacher – lass deinen Hund die Bürste vielleicht zuerst nur anschauen. Verbinde das am besten mit etwas, das dein Hund als positiv empfindet – z.B. Leckerchen mit Lob. So erhöhst du die Chance, dass dein Hund das Gebürstetwerden nicht nur einfach duldet, sondern dieses sogar ganz nett findet.

Kann dein Hund bei diesem Schritt noch nicht entspannt bleiben? Dann vergrößere zunächst noch zusätzlich  den Abstand zwischen dir mit der Bürste und deinem Hund und präsentiere ihm von weiterer Entfernung die Bürste erneut. Taste dich dann mit kleinen Schritten immer weiter an das Bürsten heran – und verbinde jeden Schritt mit etwas Positivem, damit dein Hund Freude am Bürsten gewinnt.

Du siehst, Medical Training muss gar nicht so kompliziert sein und für deinen Hund wird solch ein Vorgehen eine extreme Erleichterung bringen.

Wieviel Training braucht der Hund?

Die Frage, wieviel Medical Training für deinen Hund letztendlich nötig bzw. sinnvoll ist, um pflege und medizinisch Bedingten Maßnahmen angst- und stressfrei bzw. stressreduziert entgegensehen zu können, lässt sich pauschal nicht beantworten.

Hierbei fließen verschiedene Aspekte mit ein, wie etwa:

  • Wie ängstlich ist der Hund generell?
  • Welche Vorerfahrungen hat er bereits gemacht?
  • Wie oft werden an ihm pflege- und medizinische Versorgungsmaßnahmen durchgeführt?
  • Auf welche speziellen Maßnahmen ist der Hund angewiesen?
  • Wieviel Zeit bleibt für die Vorbereitung (hat er in einer Woche einen Termin zum Ultraschall? Oder muss er sogar ab heute Augentropfen bekommen?)

Aber auch solche Aspekte wie:

  • Wieviel Zeit hat der Besitzer für das (regelmäßige) Training zur Verfügung?
  • wieviel Zeit ist er bereit, dafür aufzuwenden?

Oder doch ein bisschen pauschal gesagt:

Je ängstlicher ein Hund gegenüber manipulativen Maßnahmen ist, wie sie etwa beim Tierarzt oder der Körperpflege vorkommen und umso häufiger der Hund auf solche Maßnahmen angewiesen ist, desto mehr Sinn macht es für diesen Hund, etwas mehr Zeit in das Medical Training zu investieren.

Emotionale Grundlage des Hundes

Einen grossen Einfluss auf das Training hat die emotionale Ausgangslage des Hundes.

Ist der Hund neugierig und positiv gegenüber den Pflege- und Versorgungsmaßnahmen aufgestellt? Oder doch eher zurückhaltend oder sogar ängstlich?

Wie der Hund emotional aufgestellt ist, hängt wiederum von verschiedenen Einflüssen ab:

  • angeborene Aspekte
  • Vorerfahrungen
  • persönlicher Charakter

Angeborene Aspekte:

Bei den angeborenen Aspekten kommt zum einen die Rasse selber zum Tragen – ist es eine eher aufgeschlossene, robuste Rasse oder eher eine zurückhaltende, zartere Rasse?

Aber einen noch viel größeren Einfluss haben die ganz spezifischen Elterntiere darauf, mit welchen Grundbausteinen (Genen) die Sprösslinge ausgestattet werden. Und die können oft sehr stark vom vordefinierten Rassestandart abweichen.

Waren die Eltern eher ängstlich? Dann kann es gut sein, dass die Nachkommen diese Charaktereigenschaft ebenfalls aufweisen. Und wenn nicht vererbt, dann nicht selten von der Mutter gelernt bzw. abgeschaut.

Letztendlich sollte jedes Tier als Individuum gesehen werden und nicht nur als Verkörperung seiner Rasse.

Vorerfahrungen:

Welche Erfahrungen hat dieser ganz spezifische Hund bis dahin in seinem Leben gemacht? Sei es zum einen die Erfahrung mit solchen Maßnahmen wie sie bei der Pflege oder beim Tierarzt vorkommen. Aber auch anderen Erfahrungen haben einen Einfluss darauf, wie der Hund sich während besagter Maßnahmen verhalten bzw. empfinden wird.

Hat er schlechte Erfahrungen beim Tierarzt gemacht? Dann wird er diese ziemlich sicher nicht vergessen und beim nächsten Tierarztbesuch dementsprechend etwas zurückhaltender und ängstlicher in dieser Situation auftreten.

Hat der Hund ganz im Allgemeinen viele positive Erfahrungen in seinem Leben machen können? Konnte er für größere und kleinere Probleme, welche ihm bis dahin in seinem Leben begegnet sind, Lösungen finden? Ja? – Dann sind dies gute Voraussetzungen dafür, dass sich dieser Hund zu einem selbstsichereren Individuum entwickelt hat. Was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass dieser Hund den Maßnahmen, wie sie beim Tierarzt und co auftreten können, entspannter entgegentritt als ein Hund, welcher in seinem bisherigen Leben eher viele negative Erfahrungen gemacht hat oder auch keine Lösungen für diverse Probleme finden konnte.

Du siehst, auch solche Erfahrungen, welche primär nichts mit Pflege- und Versorgungsmaßnahmen zu tun haben, haben letztendlich einen Einfluss darauf, wie unbefangen der Hund mit diesen verschiedenen Maßnahmen umgehen kann bzw. wie schnell er Unsicherheiten diesen gegenüber entwickelt.

Persönlicher Charakter:

Der Persönliche Charakter setzt sich letztendlich aus den angeborenen Aspekten und den bisherigen Lebenserfahrungen zusammen. Wie der Hund persönlich diese Erfahrungen bewältigt hat und welche Lösungsstrategien er für diese gefunden hat.

Das heißt jedes Individuum wird sich im Laufe seines Lebens unterschiedlich entwickeln und verhalten, auch wenn es dieselben Erfahrungen gemacht haben sollte, wie ein anderes.

Ob und wie schnell ein Hund letztendlich Angst vor dem Tierarzt oder Pflegemaßnahmen entwickelt, ist dementsprechend ziemlich unterschiedlich. Aber auch wenn man glaubt, einen ziemlich selbstsicheren und robusten Hund zu haben, welchen so schnell nichts aus der Fassung bringt, sollte nicht unterschätzt werden, dass auch diese Hunde ihre Reizschwelle haben. Ist diese erreicht oder überschritten, können auch diese Hunde die entsprechend durchgeführten Maßnahmen als „schlechte“ Erfahrung abspeichern. Und manchmal braucht es leider nur eine von diesen Erfahrungen, damit ein Hund anschließend nicht mehr gerne zum Tierarzt geht.

Intensität der Angst

Nicht nur, ob ein Hund Angst beim Tierarzt oder Pflegemaßnahmen hat, sondern auch, wie intensiv seine Angst hierbei ist, spielt eine Rolle für das Training.

Wie intensiv ist seine Angst bzw. sein Stress beim Tierarztbesuch und Pflegemaßnahmen?

  • Hat er bis jetzt noch nie Anzeichen von Angst und/ oder Stress gezeigt?
    • bei einem Tierarztbesuch?
    • bei medizinischen oder pflegebedingten Maßnahmen?
  • Zeigt er nur bei einer bestimmten Maßnahmen Angst und/ oder Stress?
  • Zeigt er bei allen oder so gut wie allen Maßnahmen Angst und/ oder Stress?
  • Zeigt er bereits Angst oder Stress sobald:
    • er es nur im Entferntesten mitbekommt („erahnt“), dass gleich an ihm medizinische oder pflegebedingte Maßnahmen vorgenommen werden sollen?
    • er wahrnimmt, dass es zum Tierarzt geht?
    • er den Parkplatz des Tierarztes wahrnimmt?
    • er im Wartezimmer sitzt?
    • er in den Behandlungsraum muss?
    •  
  • Welche Anzeichen von Angst und Stress zeigt der Hund?
    • Fluchtversuche
    • Zittern
    • Winseln
    • Erstarren
    • Schnappen
    • Beißen
  • Wie heftig zeigt er diese Anzeichen

Umso früher, umso heftiger und umso häufiger der Hund Anzeichen von Stress und Angst in solchen Situationen zeigt, desto mehr Erleichterung wird diesem Hund ein Medical Training geben – aber meist muss bei solch einem Hund auch umso mehr Zeit in ein vernünftiges Training investiert werden.

Häufigkeit der Maßnahmen:

Ein weiterer wichtiger Faktor, neben der emotionalen Grundlage des Hundes, ist wie häufig er auf Pflegemaßnahmen oder tierärztliche Untersuchungen angewiesen ist.

Wie oft ist dein Hund auf bestimmte Maßnahmen angewiesen, welche beim Tierarzt, Hundefrisör, bei der Physiotherapie oder in der häuslichen Pflege vorkommen?

  • 1-mal im Jahr
  • 2-mal im Jahr
  • 4-mal im Jahr
  • alle zwei Monate
  • monatlich
  • mehrmals pro Monat
  • wöchentlich
  • mehrmals pro Woche
  • täglich
  • mehrmals pro Tag

Ist er öfter auf solche Maßnahmen angewiesen?

Wird der Hund hierbei gut auf seine Maßnahme(n) vorbereitet, dann wird er diese(n) (auch) in Zukunft mit einer höheren Wahrscheinlichkeit angstfrei, routiniert und kooperativ gewachsen sein.

Wie oft dein Hund auf solche Massnahmen angewiesen ist, kann sich übrigens schlagartig ändern. Nämlich zum Beispiel dann, wenn dein Hund plötzlich chronisch krank wird.

Auch hier gilt: Lieber ein mal mehr vortrainiert, um dadurch solche Umstände besser auffangen zu können.

Neben der Häufigkeit der Maßnahmen spielt auch die Anzahl der Maßnahmen eine Rolle.

Müssen mehrere verschiedene Maßnahmen regelmäßig an dem Hund durchgeführt werden? Dann steigt neben der Häufigkeit der Maßnahmen auch zunächst die Undurchschaubarkeit dieser für den Hund. Der Hund kann unter Umständen nicht abschätzen, welche Maßnahme heute (oder als nächstes) durchgeführt wird – was für ihn zusätzliche Unsicherheit bringt.

Fazit:

Auch wenn es mit Sicherheit Unterschiede darin gibt, wie dringend ein Medical Training bei dem jeweils einzelnen Hund zu empfehlen ist, sollte trotzdem nicht außer Acht gelassen werden, dass, auch wenn ein Hund zu den „coolen“ unter den Hunden gehört und er zurzeit (noch) gerne zum Tierarzt geht, es jederzeit passieren kann, dass sich dies durch eine einzelne blöde Erfahrung schlagartig ändert.  

Mit Medical Training kann zum einen bei einem Hund welcher, bereits Angst und/ oder Stress beim Tierarzt empfindet, diese gelindert werden. Es kann aber auch einen vorbeugenden Effekt auf die Hunde haben, welche (noch) keine Angst und/ oder Stress beim Tierarzt haben.

Darüber hinaus hat Medical Training neben dem angst- und stressreduzierenden Effekt noch weiter Vorteile, wie etwa, dass der Hund aktiv mitarbeitet, indem er bestimmte Positionen einnimmt oder hält, wodurch die benötigten Maßnahmen nochmals qualitativ hochwertiger durchgeführt werden können. Wodurch das Vertrauensverhältnis zwischen Hund und Bezugsperson (und Tierarzt) gesteigert wird und auch die Verletzungsgefahr für alle Beteiligten reduziert wird.

Möchtest du mehr über Medical Training erfahren? Hier geht es weiter zum nächsten Beitrag:

Biologie der Angst